Ziegen – Salbei – Achtsamkeit

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Für die nächsten Tage heißt es erst einmal Taschen packen. Wir werden eine drei-Tages Tour in Angriff nehmen und zwei Nächte unter freiem Himmel schlafen. Zu unserer Erleichterung, im wahrsten Sinne des Wortes, wird unser Übernachtungsgepäck direkt zu unserem Schlafplatz gebracht. Per Schiff versteht sich. Denn unser Übernachtungsort ist mit dem Auto nicht erreichbar.

Der zweite Aufstieg geht, trotz des Muskelkaters, fast ein bisschen besser als der erste. Am meisten macht uns allen jedoch die Hitze zu schaffen. Nur ab und zu weht ein kühlendes Lüftchen und die Sonne strahlt mit aller Kraft auf uns hinab. Sonnencreme und eine gute Kopfbedeckung scheinen fast überlebenswichtig. Verschwitzt erreichen wir unseren ersten Gipfel. „Berg heil“ beglückwünschen wir uns gegenseitig.

Doch auch die Pause auf dem Gipfel lässt uns nicht abkühlen. Schatten ist weit und breit nicht zu sehen. Das höchste Gestrüpp besteht aus knöchelhohen Büschen und Salbeipflanzen. Die ganze Insel scheint mit Salbei und anderen Kräutern bedeckt zu sein. Die Landschaft ähnelt, abgesehen vom Salbei, den Bildern, die wir vom Mond kennen. Karg, trocken und felsig. Dennoch wunderbar faszinierend. Wir halten die Pause kurz und marschieren weiter durch die Mondlandschaft. Angenehmer Salbeiduft vermischt sich mit unserem Schweißgeruch.

Ein Zuhause für Ziegen bietet uns bei unserem nächsten Stopp Schatten.

Ziegen sehen wir hier keine, aber die Berge an Fellbüscheln und Ziegen-Hinterlassenschaften lassen auf Ziegen schließen. Woher diese Fellberge kommen ist mir erst unerklärlich. Aus unserer Wandergruppe kommt die Theorie, dass sich die Ziegen bei dem Kampf um das schönste Plätzchen raufen und sich dabei gegenseitig das Fell ausreißen.

Das schönste Plätzchen stellt ein an den Fels gebauter Stall oder Häuschen dar. Vorne eine Holztür, drinnen eigentlich nichts, aber Schatten. Drumherum befindet sich ein durch Holzzaun und Steinmauer abgetrennter Vorhof. Wer hat das wohl gebaut? Gehören die Ziegen jemandem? Für uns in Deutschland ist die Arbeit als traditioneller Ziegen- und Schafshirt inzwischen unvorstellbar. Dabei bringt diese Arbeit wahrscheinlich viel mit, was sich viele Menschen in unserer schneller werdenden Welt und dem Trend der Achtsamkeitslehre wünschen.

Im hier und jetzt sein und langsam leben.

In unserer Woche auf Kalymnos werden die Ziegen noch zu unseren treuesten Wegbegleitern werden. Allesamt Meister im Bergklettern, deren Köttel zeigen uns oft den Weg. Wir sind nämlich nicht nur fernab der Wege, sondern auch auf Ziegenpfaden unterwegs.

Für das Finale des Tages steigen wir noch einmal auf, um uns anschließend in ein riesengroßes „Loch“ abzuseilen. Wahrscheinlich war an diesem Ort vor langer Zeit einmal eine Tropfsteinhöhle gewesen, die irgendwann einstürzte und daraufhin diese ca. 50 Meter tiefe und 100 Meter breite Öffnung zurückließ. Im Gegensatz zum Vortag sehen wir diesmal, wo wir uns abseilen werden. Mein Magen verkrampft sich schon wieder.

Es erscheint mir etwas wahnsinnig, dass wir uns freiwillig in dieses „Loch“ ablassen, aber es ist auch unfassbar aufregend und ein Gefühl der Freiheit.

Der spannendste Moment beim Abseilen bildet immer das erste Reinhängen in den Gurt und die ersten Schritte über die Felskante. Wird das Seil mich halten? Wohin geht meine Reise? Sobald ich vollkommen frei in der Luft und sicher im Gurt hänge, ist das Aufregendste überstanden und die Angst verflogen.

Wirklich anspruchsvoll oder gefährlich ist nämlich nicht das freie Abseilen, sondern das Abseilen (Da ich absolute Kletteranfängerin bin, habe ich mich während der gesamten Woche nur abseilen lassen und nie selbst abgeseilt.) am Felsen. Hier muss ich vorsichtig sein, dass ich nirgends hängen bleibe oder gegen den Stein pralle. Das Erlebnis des freien Ablassens ist jedoch einzigartig.

Dieses freie Schweben lässt mich vollkommen im Moment sein.

Entspannen kann ich mich dennoch erst als alle wieder sicher am Boden sind. 360 Grad um uns herum ragen Felswände empor. Auch in diese Höhle haben sich einzelne Kletterer verirrt. Heute müssen auch wir etwas klettern, um wieder aus dem „Loch“ herauszukommen.

In einer nahegelegenen Bucht wartet bereits ein Boot auf uns. Das Boot ist mit bunten Fahnen verziert und ein gut gelaunter Grieche begrüßt uns vom Deck aus. Wir bleiben allerdings am Festland. Mit dem Boot wurden unser Abendessen und unsere Schlafsachen geliefert. Heute Nacht werden wir nämlich an diesem Strand schlafen.

Während wir uns den Schweiß im Meer abwaschen legt der Kapitän bereits ab – er hat flotte Diskomusik aufgelegt.

Fröhlich tanzen wir zur Musik im Wasser und winken noch dem Boot, das langsam im Abendgrauen verschwindet, hinterher. Bevor die Sonne gänzlich untergeht sammeln wir Holz für ein Lagerfeuer. Trockene Büsche liegen reichlich in der Nähe des Strandes, richtiges Holz finden wir nicht. Für ein abenteuerliches Lagerfeuer genügt es jedoch, so dass wir unseren ereignisreichen Tag schön am Feuer mit griechischen Wein ausklingen lassen können.

In meinem Schlafsack ist es kuschelig und es herrscht einfach die absolut perfekte Temperatur. In den Ohren höre ich das Meer rauschen und ab und zu den Laut eines Tieres. Über mir erstreckt sich ein unglaublicher Sternenhimmel. Ich liege einfach nur da und genieße all diese Wahrnehmungen. Es ist traumhaft und beruhigend. Ich merke nicht einmal, dass ich irgendwann einschlafe.

Diese erste Nacht unter freiem Himmel bildet einen meiner Höhepunkte der Reise.

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