Gesindel im Räuberschlössle

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Tag 2: Lothenbachklamm bis Oberfischbach, 19,5 km, Gehzeit ca. 6 Std.

Lothenbachklamm

„Ich fühle mich wie im Märchen – mitten im Zauberwald“.

Weil die Busverbindung hierher besser ist und ich gestern nur durchgehetzt bin, steige ich heute genüsslich die Lothenbachklamm nach unten. Es ist angenehm kühl, die Steine sind nass und glitschig, die Landschaft herrlich. Viele Familien mit kleinen Kindern haben heute die Klamm für Ihren Tagesausflug gewählt und die Kinder sind erstaunlich schnell unterwegs.

Der Weg zum Zauberwald

An der Schattenmühle steige ich in den Schluchtensteig ein, es geht zunächst steil bergauf und ich bin wieder völlig allein unterwegs. Der Weg ist wunderschön, es geht übers freie Feld und durch den Wald, die Wutach rauscht weit unter mir. Als 1999 der Sturm Lothar im Schwarzwald sein Unwesen trieb, wurde auch dieser Wald nicht verschont. Doch der Besitzer, Fürst von Fürstenberg, hat beschlossen, den Wald sich selbst zu überlassen, was ein bizarres Bild abgibt und so manches Mal an einen Zauberwald erinnert. Lediglich wenn ein Baumstamm den Wanderweg versperrt hat, wurde er durchgesägt, um dem Wanderer Durchgang zu gewähren.

Plötzlich ist der Weg versperrt: „Lebensgefahr durch die Gefahr umstürzender Bäume“

Gesperrt vom Förster im Februar 2017. Leider gibt es keine Alternative – also riskiere ich mein Leben, um festzustellen, dass es zwar viele kaputte Bäume gibt, die Warnung jedoch einen Haftungsausschluss darstellt, falls doch mal ein Baum umfällt.

Das Räuberschlössle

Ich erreiche das Räuberschlössle, ein exponierter Fels, der im 14. Jahrhundert die Burg Neu-Blumegg beherbergte. Sie wurde im Bauernkrieg zerstört und wurde dann von allerhand Gesindel belagert, so dass der Name durchaus berechtigt ist. Auch ich treffe dort auf „Gesindel“. „Losung oder Schokolade“ sprechen mich die beiden Frauen an und weil wir uns sofort viel zu erzählen haben, wandern wir die nächsten Stunden gemeinsam.

Wir erreichen das Ende der offiziellen Wegsperrung, wo bereits weitere unschlüssige Wanderer warten und über unsere Information durchaus dankbar sind. Wir erreichen wieder die Wutach, die an dieser Stelle von einer überdachten Holzbrücke gequert wird. Ursprünglich im 15. Jahrhundert gebaut, war sie einst ein wichtiger Übergang für Händler und Kaufleute. Zerstört im 30-jährigen Krieg wurde die Brücke erst 70 Jahre später wieder errichtet und in dieser Form 1852 gebaut und 2006 aufwändig renoviert.

Woher bekommt die Brauerei Fürstenberg ihren Strom?

Wir halten uns rechts der Wutach und kommen an einem der ältesten Flusskraftwerke Deutschlands vorbei. Der Fürst zu Fürstenberg lies das Elektrizitätswerk Stalleg 1895 erbauen, um sein Anwesen in Donaueschingen mit Strom zu versorgen. 1979 wurde das Werk stillgelegt, doch im Jahre 2000 reaktiviert. Es liefert bis heute Strom. Die Wutach wird 200 Meter oberhalb gestaut und bildet einen großen, spiegelglatten See. Auch hier kann man klar erkennen, dass der Natur freien Lauf gelassen wird.

Schwarzwaldidylle

Der wunderschöne Weg erinnert uns an die Beschreibungen von R.R. Tolkien über das Auenland und wir fangen schon an, nach Hobbits und Elfen zu suchen. Doch außer Walderdbeeren und Heidelbeeren können wir (zum Glück) nichts finden. Ich nehme wahr, wie ich langsam abtauche in die Idylle des Schwarzwaldes und anfange die Hektik hinter mir zu lassen. Das Wandern abseits der Zivilisation beruhigt meine Gedanken und wäre da nicht wieder die zu erreichende Busverbindung am Nachmittag, würde ich behaupten, die Entspannung beginnt.

Warum gibt es einen Bahnhof ohne Gleise?

Die Haslachmündung

Wenig später erreichen wir die Haslachmündung. Hier vereinen sich die Haslach und die vom Titisee kommende Gutach. Die „Gute Ach“ wird jetzt zur „Wütenden Ach“. Über die enge Haslachklamm verlassen wir die Wutachschlucht, der Weg geht steil bergauf, schlängelt sich um den Fels und über Treppen und Stege, die der Natur angepasst wurden. Wir genießen den Ausblick am Rechenfelsen und am Höllloch. Dann erreichen wir die ehemalige Bahntrasse der Strecke Neustadt – Lenzkirch – Bonndorf. Schienen gibt es keine mehr, aber einen schnurgeraden nahezu ebenen Radweg hat man in die Trasse gebaut. Der Schluchtensteig hingegen nimmt jede Steigung und jedes Gefälle mit. Wer müde ist oder nicht mehr so gut zu Fuß, der kann getrost dem ebenen Radweg bis kurz vor Lenzkirch folgen. Wir passieren den alten Bahnhof Kappel-Grünwald und fragen uns, wer denn wohl damals hier ein- und ausgestiegen ist, an diesem Bahnhof mitten im Wald.

Trittsicherheit ist hier gefragt!

Bald verlässt der Weg den Wald und vor uns liegt Lenzkirch, die letzten beiden Kilometer wandern wir auf der Straße durch das Niederdorf und dann bis zum Kurpark.

Der Schluchtensteig quert die Hauptstraße und biegt oberhalb der Bushaltestelle „am Kurpark“ wieder in den Wald ein. Es geht hinauf zum Geologiepark, von wo aus man eine herrliche Aussicht auf Lenzkirch hat. Der Weg geht weiter durch das Schwendetal und die Tagesetappe endet in Oberfischbach am Hotel Hirschen.

Lenzkirch, Rathaus

Rathaus Die Wege meiner Gesindelbegleiterinnen und mir haben sich in Lenzkirch getrennt. Statt der restlichen 5 km Schluchtensteig habe ich mir in Lenzkirch einen Eiskaffee gegönnt und dann den Bus nach Fischbach zum Hotel Hirschen genommen, um die ersten drei Kilometer der nächsten Etappe schon heute zu wandern – schließlich möchte ich nichts verpassen.

1.436 Meter und keine Zeit für das Gipfelglück

Beginnend in Oberfischbach am Hotel Hirschen geht es zunächst eine geteerte Stichstraße bergauf, dann tauche ich in den Wald ein und wundere mich mal wieder, wie lange ein Kilometer sein kann. Später lese ich, dass es zwei Kilometer (und nicht wie angenommen nur einer) bis zum Bildstock sind. Ein Abstecher auf diesen „Gipfel“ wird mit einer herrlichen Aussicht auf den Feldbergkomplex belohnt. Kurze Zeit später hat man einen Ausblick auf den gesamten Schluchsee bevor sich der Weg in Serpentinen steil den Wald hinunterschlängelt und man nach ca. 1 Stunde den Ortseingang von Aha erreicht.

Weil ich alles auf einmal haben möchte, verpasse ich  in Aha die Dreiseenbahn nach Schluchsee knapp. Immerhin, statt mich zu ärgern, erkenne ich, dass ich  genügend Zeit für ein Radler am Schluchseestrand habe und genieße die beruhigende Aussicht auf den See.

„Ich bin froh über leichtes Gepäck und einen Dauerschlafplatz im Hotel“

Während ich in Lenzkirch auf den Bus gewartet habe, bin ich drei jungen Frauen begegnet, die ich bereits gestern zwischen Bad Boll und Schattenmühle überholt habe. Sie wandern wohl die gleiche Tour, sind bepackt mit großen Rucksäcken und  Isomatten. Sie schleppen zwar einige Kilos mehr durch den Schwarzwald als ich, doch das Transferproblem mit dem öffentlichen Nahverkehr haben sie nicht. Sie können die einzelnen Etappen am nächsten Morgen da beginnen, wo sie abends aufgehört haben. Trotzdem bin ich froh über leichtes Gepäck und einen Dauerschlafplatz im Hotel.

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