Wander- und Klettertour über Walser Hammerspitze, Hochgehrenspitze und Oberstdorfer Hammerspitze
Unentschlossen waren wir an diesem Morgen – laut Wettervorhersage sollten sich die Wolken gegen 10 Uhr verzogen haben, deshalb haben wir uns in Richtung Hohen Ifen auf den Weg gemacht. An der Station Ifenhütte angekommen, haben wir sofort wieder die Bahn nach unten genommen. Heute ist kein guter Tag für den windigen Ifen und das Gottesackerplateau.
Die Kanzelwand gegenüber liegt bereits wolkenfrei, deshalb nehmen wir den Bus nach Riezlern und fahren auf die Bergstation.
Die Walser Hammerspitze mit einer Höhe von 2.170 Metern soll unser heutiges Ziel sein.
Weil noch immer Wolkenfetzen am Berg hängen, entscheiden wir uns, nicht über den Grat zum Gipfel zu wandern. Daher nehmen wir den Weg von der Kanzelwand abwärts in Richtung Mittelberg und steigen dann nach kurzer Zeit über den Kuhgehrensattel auf zur Walser Hammerspitze. Der Aufstieg ab dem Kuhgehrensattel dauert eine Stunde und strengt uns heute gewaltig an. Vier harte und lange Wandertage haben ihre Spuren hinterlassen und die hohe Luftfeuchtigkeit tut ihr übriges dazu. Wir schnaufen auf den Gipfel und dort ist es ziemlich kalt. Endlich kommt auch die eingepackte Daunenjacke zum Einsatz.
Weil wir keine Lust darauf haben, denselben Weg zurückzugehen, holen wir die Wanderkarte raus und suchen nach Alternativen.
Deren gibt es einige: wir könnten über die Innere Kuhgehrenalpe zurück nach Mittelberg, über den Grat der Walser Hammerspitze zurück zur Kanzelwand oder zur Fiedererpasshütte queren, die knapp über 2.000 Meter liegt. Wir entscheiden uns für diese Variante, weil wir einen Weg entdeckt haben, der zwar nicht auf der Karte eingezeichnet ist, jedoch direkt über Hochgehrenspitze und Oberstdorfer Hammerspitze zur Fiedererpasshütte führt. Der direkteste Weg also und wir dachten auch der kürzeste. Rein kilometermäßig betrachtet, lagen wir da auch richtig, zeitlich gesehen allerdings völlig falsch. Doch das wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Wir nehmen also den als „Unmarkierter Weg, nur für Geübte“ gekennzeichneten Weg, der soweit wir sehen können, unschwierig am Grat der Walser Hammerspitze auf die Hochgehrenspitze führt.
Weit vor uns sehen wir zwischen Nebelschwaden zwei Wanderer, die uns in unserer Entscheidung bestärken, auf genau jenem Weg. Die Wolken haben sich mittlerweile an der Steilflanke des Berges festgefressen, so dass wir freie Sicht auf unseren Weg und ins Tal haben.
Trotz freier Sicht erkennen wir schon bald keinen Pfad mehr und machen uns auf Spurensuche nach dem weiteren Verlauf des Weges. Rechts eröffnet sich ein tiefes Loch, das wir nicht umklettern können, also muss der Weg links entlang der Steilflanke führen. Wir werden fündig und sind froh, wieder so etwas wie einen Pfad zu erkennen.
Ein Kreuz erinnert an einen abgestürzten Bergsteiger – nicht gerade motivierend – weitere Gedenktafeln und Kreuze werden wir auf dem restlichen Weg passieren.
Bald haben wir ohne weitere größeren Probleme den Gipfel der Hochgehrenspitze mit 2.251 Metern unseren zweithöchsten Punkt des Tages erreicht.
Es ist kalt und zugig, doch wir sind voll Power und Energie, ist der Weg doch ungemein spannend. Wieder begeben wir uns auf Spurensuche und finden schließlich den Übergang zur Oberstdorfer Hammerspitze: Es geht an der Rückseite der Hochgehrenspitze sehr steil hinunter – glücklicherweise ist der Weg mit einem starken Drahtseil versichert, an dem wir uns gut festhalten können und sicher fühlen.
Der Klettergurt mit der Bandschlinge liegt derweil sicher verwahrt im Auto – heute war ja nur eine kleine und erholsame Wandertour angesagt….
Wieder ist ein Pfad erkennbar, der sich nach wenigen Metern im Fels verliert. Wir erkennen am anderen Ende der Flanke den Weg, doch nicht wie wir dahin kommen. Wieder suchen wir, wo es weitergeht, testen mehrere Alternativen und entscheiden uns schließlich, einem aufgezeichneten und noch schwach erkennbarem Pfeil zu folgen, obwohl sich der Weg zunächst im Nichts zu verlieren scheint. Wieder ergibt sich eine Lösung und wir klettern gewagt über die Felsen, jeder Fehltritt hätte jetzt negative gesundheitliche Folgen.
Mein Adrenalinspiegel steigt gewaltig an und ich gestehe, dass ich mich nicht immer wohl gefühlt habe.
Insbesondere die Ungewissheit über den weiteren Verlauf der Strecke macht mir Sorgen. Hoffentlich packen wir das. Wir haben den „point of no return“ erreicht, zurück wäre unverantwortlich. Schließlich gelangen wir an den bereits entdeckten Wegabschnitt, dem wir einige Bergwindungen lang folgen ehe er sich wieder verliert.
Glücklicherweise haben wir zuvor gesehen, dass die beiden vor uns losgezogenen Wanderer hier nach oben gestiegen sind. Also klettern wir nach oben und versuchen Spuren auszumachen: Schuhabdrücke, zertretene Grasbüschel – jede winzige Kleinigkeit ist ein Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Schließlich erkennen wir direkt über uns das Gipfelkreuz, es eröffnet sich eine steile Wiese und es geht schnurstracks nach oben. Geschafft – Gipfel der Oberstdorfer Hammerspitzer mit 2.260 Metern erreicht.
Nächstes Ziel: Fiedererpasshütte, 2.006 Meter. Die Richtung ist klar, der Weg mal wieder nicht.
Zwei Wanderer kommen uns entgegen (es ist bereits nach 15 Uhr – sehr mutig, um diese Uhrzeit den gesamten Weg noch gehen zu wollen) und eröffnen uns den weiteren Verlauf der Tour. Es geht wieder senkrecht hinab, drei Eisenkrampen dienen als Tritte und ein langes Seil wäre jetzt wirklich eine willkommene Sicherung. Der Haken wäre da, doch das Seil haben wir gar nicht erst mitgenommen ins Kleinwalsertal, wandern war angesagt, nicht klettern. Also klettern wir ungesichert hinab, der Einstieg ist nicht ganz einfach, doch sobald wir den ersten Griff zu fassen bekommen, ist die gefühlte Sicherheit da. Der Fels bietet viele Halte- und Standmöglichkeiten, so dass wir unversehrt diese Hürde überwinden können.
Wir sehen die beiden vorausgehenden Personen, die den weiteren Weg durch den Kamin gewählt haben.
Wir folgen wieder einem erkennbaren Pfeil und nehmen den Weg über den Grat um dann wenig später auf einen deutlich erkennbaren Pfad zu kommen, der schließlich in engen Serpentinen durch das Geröll nach unten führt. Wir passieren die letzte Gedenktafel dieses Tages und damit die letzte wirklich heikle Stelle, queren noch einmal das Geröll und haben endlich wieder festen Boden unter den Füßen.
Die letzten Meter wandern wir auf einem Wiesenpfad zur Fiedererpasshütte, wo wir uns einen leckeren Cappucino und ein Stück Kuchen gönnen bevor wir uns an den Abstieg nach Mittelberg wagen. Es ist halb fünf als wir aufbrechen und wir haben einen Lauf – wir schaffen die 800 Höhenmeter und rund 5 Kilometer in 90 Minuten und sind um 18 Uhr zurück im Hotel. Sehr hungrig, sehr glücklich, sehr zufrieden und endlich auch wieder entspannt. Heute haben wir uns ein großes Bier verdient!
Länge der Strecke: ca. 9 km, 500 Höhenmeter aufwärts, ca. 1.200 HM abwärts
Schwierigkeit: schwer, Klettern im zweiten bis dritten Grad, teilweise mit Drahtseil gesichert, Weg unmarkiert, wegloses Gelände, daher Bergerfahrung unbedingte Voraussetzung. Bei Regen und Nebel nicht gehen!
Karte: Kompasskarte 03 Oberstdorf, Kleinwalsertal. 1:25.000 – Weg zwischen Walser und Oberstdorfer Hammerspitze ist nicht eingezeichnet!
Hallo Silke,
sehr interessanter Bericht. Wir sind im Sommer mit einer größeren Gruppe in der Ecke. Ist der Weg von der Walser Hammerspitze runter zum Kuhgerensattel auch für die Bergunerfahrenen aus unserer Gruppe machbar? Den Rest eurer Tour machen wir nicht 😉
Vielen Dank für die Hilfe,
Dani