Rheintalstrecke gesperrt – kein Problem, ich fahre etwas früher
Der Kurzurlaub fängt gut an. Durch die aktuelle Sperrung der Rheintalstrecke bleibt mir nichts anderes übrig als 2 Stunden früher am Bahnhof in Mannheim aufzukreuzen, um die Zugbindung auf meinem Sparticket aufheben zu lassen. Die Anzahl der notwendigen Umstiege bis zu meinem Zielbahnhof Zermatt erhöht sich durch den eingerichteten Schienenersatzverkehr auf fünf. An dieser Stelle muss ich mal eine Lanze für die Deutsche Bahn brechen: alles ist top organisiert und jeder kann in Rastatt seine Reise fortsetzen – nicht mehr ganz so bequem aber es sind ja auch nur gut 25 Minuten bis Baden-Baden, dann geht es mit dem Zug weiter.
„Sie können nicht alles haben – sparen und noch einen anderen Zug nehmen.“
Zwischenstopp Basel Schweizer Bahnhof. Ab hier, so wird mir auf Nachfrage bestätigt, gilt wieder die Zugbindung meines Spartickets. Im besten Basler Dialekt wird mir beschieden „Sie können nicht alles haben – sparen und noch einen anderen Zug nehmen.“ Somit darf ich eine Stunde wertvolle Lebenszeit auf dem Bahnhof verbringen. Aber ich habe ja „Freizeit“ und seiner Logik kann ich mich nicht ganz verschließen. Also hole ich mir an einem der zahlreichen Coffeeshops einen Café creme mit einem leckeren Schokomuffin, setze mich am Bahnsteig auf eine Bank, genieße Kaffee und Muffin und lese – ohne schlechtes Gewissen, etwas anderes zu verpassen. Entspannt steige ich später in meinen Zug und es geht über Bern nach Visp.
Mit dem Glacier-Express nach Zermatt durch das tiefste Tal der Alpen
Ab Visp geht es mit der Gotthard-Matterhorn-Bahn weiter nach Zermatt. Die Schienen schlängeln sich aufwärts durch das Mattertal und geben so manche Aussicht in die Tiefe frei. An dieser Stelle öffne ich mal für einen kurzen Augenblick die Kiste des unnützen Wissens – Das Mattertal steht im Guinnessbuch der Rekorde als das tiefste Tal der Alpen und somit auch der Schweiz – Kiste wieder zu. Schön ist es und beim Anblick zweier Ziele meiner Tour, dem Kleinen Matterhorn und dem Breithorn, kommt Vorfreude auf den Tourstart am nächsten Tag auf.
Grummelig und bärbeißig sollen sie sein, die Walliser
Der nächste Tag startet mit einem gemütlichen Frühstück im Hotel. Das Personal ist ausgesprochen freundlich und wir kommen gleich ins Gespräch. Nach rund 10 Minuten sind wir beim „Du“. Passt nicht zu dem, was mir über die Walliser Art erzählt wurde, passt aber für mich. Kurz nach 11 Uhr treffe ich die anderen drei Bergazubis und den Bergführer dieser Ausbildungswoche, auf den ersten Blick sehr sympathische Menschen. Unser Bergführer stellt die Wochenplanung vor und erläutert, dass sich im Vergleich zum ursprünglichen Plan auf Grund der schlechten Wetterprognose alle Touren um einen Tag nach vorne schieben und unser zweiter Ausbildungstag (der eigentlich noch als Akklimatisationstag gedacht war) erst am letzten Tag stattfindet. Das sollte für mich ein paar unangenehme Folgen haben, aber dazu an der entsprechenden Stelle mehr.
Ich wollte die Bahn nicht kaufen …
Mit der Gondel wollen wir auf die Station „Trockener Steg“ hochfahren, quasi der halbe Weg aufs Kleine Matterhorn. Das Ticket kaufe ich, wie mir geheißen wurde, bis ganz hoch und retour. Als die junge Frau hinter der Kasse mir den Preis nennt, geht meine innere Ruhe eben mal kurz in Urlaub. 100.- CHF für hin und zurück! Laufen ist in diesem Fall leider keine Alternative. Schließlich wollen wir zeitnah oben am Gletscher unsere Ausbildung starten.
Mit Steigeisen und am Seil gehen, Knoten legen und sichern – nicht gerade das, was man jeden Tag macht
Gehen mit den Steigeisen steht als erstes auf dem Programm. Einige Dinge mache ich intuitiv schon richtig, das Abwärtsgehen am Steilhang mit Pickeleinsatz ist neu für mich, schließt bei mir aber definitiv eine Wissenslücke. Das Üben strengt an und die Höhe (knapp über 2900m) tut ihr Übriges dazu, dass ich mich langsam schlapp fühle. Nach der Mittagspause ist Knoten lernen angesagt. Das fordert mich geistig ganz schön, ich tue mir schwer, die einzelnen Details zu merken, ganz zu schweigen davon, dass bei mir nicht mit jedem Versuch das erwünschte Endprodukt herauskommt. Die tröstenden Worte unseres Bergführers „Wir werden das diese Woche noch häufiger üben“ sorgen dafür, dass die Verzweiflung nicht überhandnimmt. Die letzte Runde an diesem Nachmittag ist eine Einheit zum Thema „am Seil gehen“. Wann nimmt man das Seil zwischen den Mitgliedern einer Seilschaft lang, wann kurz? Wieviel Seillänge zwischen den Mitgehern? Auf welcher Seite wird das Seil geführt, hang- oder talseitig? Wohin mit dem Eispickel? Das sind die Fragen, die uns den restlichen Nachmittag beschäftigen.
Wir übernachten auf der Gandegg-Hütte auf 3030m
Die Gandegg-Hütte wurde im Jahre 1885 erbaut und bietet laut homepage „… besonderen Charme in einer einmaligen Umgebung“. Das Panorama mit Matterhorn, Kleines Matterhorn, Breithorn u.a. ist tatsächlich sehr beeindruckend. Hüttenübernachtungen allerdings führen mich regelmäßig weit aus meiner Komfortzone und auch dieser antiken Hütte kann ich keinen besonderen Charme abgewinnen. Also gilt es, das Beste daraus zu machen. Das Abendessen ist eine echte Überraschung und schmeckt sehr lecker. Und das, obwohl der Koch nicht allzu viel Platz hat und rund 30 Gäste bekochen durfte – Respekt. Nach dem Abendessen gibt es noch eine Theorieeinheit, Rückblick auf den Tag und die Besprechung unserer morgigen Tour auf das Breithorn (4164m). Mit leichten Kopfschmerzen krieche ich gegen 21.30 Uhr in meinen Hüttenschlafsack. Mein Alltag ist mittlerweile schon so weit weg …