Gletschertour über den Südostgrat zum Alphubel (4.206 m)
Ausgangspunkt der Tour ist der Ort Täsch (wer nach Zermatt möchte, muss hier sein Auto abstellen und mit der Bahn weiterfahren), wo wir unser Auto am Ende einer kleinen, nicht ausgebauten Passstraße abstellen und von hieraus am Nachmittag zur Täschhütte 2.701 m aufsteigen. Wir, das sind Marcus und ich, der „Gletscherwolf“ unser Freund aus Österreich und ein einheimischer Bergführer. Ein leichter, 90 minütiger Anstieg wartet auf uns, so dass wir am nächsten Morgen in guter Höhe unsere Überquerung des Alphubels beginnen können.
Nach einer Hüttennacht mit viel zu wenig Schlaf, Frühstück um 3 Uhr, Abmarsch um 3.30 Uhr
Mit Stirnlampe sind wir in dieser sternenklaren und viel zu warmen Nacht ohne Jacke, ohne Mütze losgezogen. Die ersten zwei Stunden in völliger Dunkelheit, steil bergauf über Wiesen, durch Gletscherbäche und Felsformationen. Mit Sonnenaufgang haben wir den Gletscher erreicht und präparieren uns mit Eispickel und Steigeisen für den Aufstieg in der Viererseilschaft.
Der Gipfel des Matterhorns leuchtet in der aufgehenden Sonne – eine atemberaubende Kulisse.
Wir marschieren entspannt über den Gletscher, genießen die herrliche Winterlandschaft mitten im Hochsommer und setzen zunächst mühelos einen Fuß vor den anderen bis der Berg allmählich steiler wird.
Noch ist es einfach… Guten Morgen Sonnenschein! Winterwunderland mitten im August Das Matterhorn im Licht der aufgehenden Sonne
Jetzt garantiert nur noch ein beherztes Einsetzen der Steigeisen einen festen Schritt und einen sicheren Aufstieg. Das erste Steilstück haben wir ohne große Probleme hinter uns gebracht und genießen die tolle Aussicht. Wir steigen am Grat entlang weiter, rechts der Gletscher, links die Felsen bzw. ein endlos tiefer Abgrund. Wir erreichen die nächste Steilstelle an der es wieder einige Meter nach oben geht – und bei einem Fehltritt rasant nach unten.
„Wenn jetzt einer von uns ausrutscht, dann …“ Ich denke den Gedanken nicht zu Ende, sondern vertraue auf meine Begleiter. Vertraue unserem Bergführer, er weiß hoffentlich was er tut und was wir können.
Anscheinend vertraut der Bergführer uns auch, sonst würde er diese Passage absichern. Ich wachse an diesem Vertrauen in mich und erkenne, dass sich Vertrauen gegenseitig bedingt. Wie im wirklichen Leben, abseits des Berges: Auch im Geschäftsalltag ist Vertrauen die Basis für den Erfolg. Weitere steile Abschnitte folgen, die wir queren, ein Fall wäre fatal – es geht hunderte von Metern steiler Fels abwärts.
Um kurz nach 10 Uhr haben wir den Gipfel erreicht: Sonnenschein, blauer Himmel und eine weiße Schneelandschaft soweit das Auge reicht. Wie gerne hätte ich jetzt ein Snowboard…
Nach kurzer Mittagspause treten wir den Abstieg über den Feegletscher an. Rutschig ist es, der Schnee ist wässrig, wir sinken immer wieder knietief ein, doch wir haben viel Spaß dabei. Bis die Gletscherspalten immer mehr werden, immer größer werden.
Jegliche Unterhaltung versiegt, konzentriert und vorsichtig setzen wir einen Fuß vor den anderen, um die schmalen Gletscherbrücken nicht brechen zu lassen.
Die Spalten werden breiter, die Sprünge müssen länger werden. Auf ebenem Boden springe ich lässig zwei bis drei Meter aus dem Stand. Doch hier, wo die Gletscherspalte zwanzig, dreißig Meter tief ist, kostet mich jeder Sprung Überwindung.
Dann werden auch die Brücken immer waghalsiger. Ein schmaler Steg aus blankem Eis führt durch das Wirrwarr von Gletscherspalten. Beidseitig schimmert tief unten das blaue Gletschereis.
Die Angst wird zu meinem Begleiter, weil ich mir plötzlich nicht mehr selbst vertraue. Nicht mehr darauf vertraue, dass ich auf diesem schmalen Grat gehen kann, dass ich die Balance verliere. Dabei weiß ich genau, dass ich auf viel dünneren Gegenständen balancieren kann – wäre da nicht dieser Abgrund zu beiden Seiten. Sehr langsam wage ich mich über diese heikle Stelle und versuche nicht daran zu denken, was passiert, wenn ich ausrutsche…
Geschafft! – Wir haben den abschmelzenden Teil des Gletschers erreicht. Auch hier queren wir Spalten, doch der Untergrund ist fest und griffig und das Selbstvertrauen ist wieder da.
Ich bin zwar müde und kaputt, doch die Anspannung ist weg. Fast schon beschwingt erreichen wir den Gletscherrand, legen Steigeisen, Seil und Eisaxt ab und wandern über die Felsbrocken zur Bergstation Laengfluh. Fazit des Tages: Neun Stunden auf den Beinen war eine gut investierte Zeit, um mich sich selbst im Gletscher wieder ein bisschen besser kennenzulernen.
Blick zurück auf den Feegletscher Mittagskaffee auf der Hütte
Ganz bewußt bin ich in unserer Seilschaft als Letzter gegangen, denn dabei hat man einen guten Über-
blick über die “Performance” seiner Kameraden und kann, sofern nötig, helfend eingreifen. Nun darf ich
Marcus und Silke ein dickes Lob aussprechen: es lief alles sehr rund, beide sind ambitionierte, aber auch besonnene Alpinisten und vor allem konditionsstark und konzentriert bei der Sache. Erst das Spaltenspringen beim Abstieg über den Feegletscher war dann doch etwas ungewohnt und forderte auch noch einmal Nervenstärke – aber wie heißt’s so schön: man wächst mit der Aufgabe !
Insgesamt eine tolle Westalpentour bei obendrein perfektem Wetter.