Vier Jahreszeiten in einer Woche

Teile diesen Beitrag mit deinen Freunden:

Hochsommer

Der sechste Tag verspricht warm und sonnig zu werden – die Route eher durchwachsen. Wir lassen das Handwerkerdorf Chilling hinter uns. Die abenteuerliche Seilbahn über den Fluss Zanskar gibt es zwar noch, ist jedoch außer Betrieb, weil inzwischen eine Brücke gebaut wurde.

Dies hängt mit dem Bau der neuen 30 km langen Straße zusammen, die nach Zanskar führen wird. Für die Bewohner dort bedeutet dies den Anschluss an die Welt bzw. an Ladakh und Leh. Bisher konnte man den Weg dorthin im Winter über den zugefrorenen Fluss, im Sommer nur über die hohen Pässe zu Fuß zurücklegen. Daher ist die Straße für die Bevölkerung ein wichtiger Schritt und bedeutet Zugang zu Bildung, auch wenn es für die Natur einen nicht unerheblichen Einschnitt bedeutet.

Der Bau der Straße ist höchst spektakulär

Die Piste wurde bereits freigelegt, der Fels also abgetragen. Regen und Unwetter lassen immer wieder Steine auf die unfertige Trasse fallen, die entfernt werden müssen, damit die Bau- und Verpfelgungsfahrzeuge durchkommen. Die Freiräumung erfolgt dadurch, dass die Felsbrocken mittels eines großen Baggers in den Fluss geworfen werden, der sich dadurch stark verengt und die Strömung nimmt entsprechend zu. Die Vermutung, dass beim nächsten Hochwasser die neue Brücke in Mitleidenschaft gezogen wird, liegt daher nahe.

Camp Hamourja

Wir kommen heute auf den Markha-Trail, der seinen Namen dem Fluss Markha verdankt. Die Etappe ist unspektakulär und führt zu zwei Dritteln an der Straße bzw. Piste entlang. Dann verengt sich die Strecke zu einem Pfad und wird bis wir unser Camp in Hamourja (3.440 m) erreicht haben, nur wenig interessanter. Tagsüber war die Hitze fast unerträglich, so dass wir uns über ein erfrischendes Bad im Fluss freuen und das schöne Wetter nutzen, um unsere Wäsche zu waschen.

Herbst

Am Morgen des siebten Tages stehen dunkle Wolken über uns. Der Weg durchs Markha Valley zieht sich, ich empfinde ihn unspektakulär und langweilig. Einzig die Flussquerungen lassen den Puls etwas höher schlagen. Gerade noch rechtzeitig vor dem einsetzenden Regen erreichen wir unser Camp in Umlung (3.780 m) und freuen uns über das dortige “Kiosk”, wo wir uns einen frischen Kaffee gönnen und eine handgestrickte Wollmütze aus grober Schafswolle kaufen.

Wir zelten direkt am Fluss, doch aufgrund des schlechten Wetters verzichten wir heute aufs Bad.

Aprilwetter

Govt. Primary School, Hangkar

An unserem achten Trekking-Tag besuchen besuchen wir die Dorfschule in Hangkar, heute sind vier SchülerInnen da. Fasziniert stehen wir fast eine Stunde lang im Regen und beobachten, wie diese ohne Lehrkraft ihren Englischunterricht singend absolvieren. Anschließend werden wir spontan von einer anwesenden Mama zum Tee und Keksen eingeladen. Gastfreundschaft wird hier sehr großgeschrieben.

Die letzten Kilometer sind spannend und führen durch eine Schlucht. Leider erwischt uns ein kalter Regen und wir kommen mal wieder durchnässt im nächsten Camp an. Der Wettergott hat aber ein Einsehen und lässt die Sonne für uns scheinen, so dass unsere Klamotten trocknen können. Und als weiteres Highlight gibt es zum Abendessen eine Gemüse-Pizza (Keine Ahnung, wie unser Koch die “gezaubert” hat, war aber sehr lecker).

Frühlingserwachen

Der Tag beginnt mit Sonnenschein, uns erwartet wieder eine kurze Etappe, die uns über Tachungtse im Schatten des Kang Yatze (6.400 m) nach Nimaling bis auf 4.750 Meter führt. Wir besteigen spontan noch den nächsten Hügel, schaffen nicht ganz die 5.000er Höhenmarke und bereiten uns damit sukzessive auf den ersten großen Gipfel vor (“Climb High, Sleep Low”). Weil die Sonne lacht, gönnen wir uns am späten Nachmittag wieder ein kurzes, aber sehr erfrischendes Bad im eiskalten Fluss.

Nimaling

Heute Nacht ist Vollmond und laut Auskunft unseres Guides, ändert sich dann das Wetter – wir hoffen auf weniger Niederschlag. Marcus unkt allerdings “Klar, Schneefall bis auf 4.000 m.”

Spätherbst

Auch heute steht wieder eine sehr kurze Etappe an, wir richten uns am zehnten Tag auf 5.000 Meter in unserem Basecamp für den Dzo Jongo (6.230 m) ein, den wir morgen besteigen wollen. Vor dem Lunch ist sogar noch Zeit für eine kleine Akklimatisationstour auf 5.200 Meter Höhe. Dann setzt der Regen ein und der Himmel verheißt nichts Gutes für den Gipfeltag.

Der Vollmond hat das Wetter nicht in unserem Sinne beeinflusst.

Wir packen dennoch unsere Rucksäcke mit Steigeisen, Klettergurt, Eispickel und hoffen auf eine Gipfelbesteigung mit Bilderbuchwetter. Schon jetzt ist klar, dass Marcus krankheitsbedingt ausfällt und den Gipfeltag im Zelt verbringen wird.

Winter

Tag 11: Die erste Nachthälfte war klar und eisig kalt. Als wir um 2 Uhr in der Nacht losmarschieren, zeigt sich der Himmel jedoch bereits wieder bedeckt. Bereits nach 1,5 Stunden beginnt es zu schneien und weil wir sehr langsam unterwegs sind, ist es ungemütlich kalt. Der Schneefall wird stärker, wir wandern durch ein weißes Winterwunderland. Auf 5.800 Meter Höhe öffnet sich kurz die Wolkendecke und wir haben einen traumhaften Ausblick und bekommen auch unser heutiges Ziel – den Gipfel des Dzo Jongo – kurz zu Gesicht. Er scheint zum Greifen nah.

Dann geht es weiter über mehrere Schneefelder außerhalb des noch zu querenden Gletschers, doch der Altschnee ist brüchig und selbst ich Leichtgewicht sinke teilweise bis zum Oberschenkel ein. Daher entscheidet unser Guide knapp unter 6.000 Metern zur Umkehr. Die richtige Entscheidung, wie sich später herausstellen sollte. Zunächst jedoch ein kurzes Fotoshooting, quasi unsere heutigen Gipfelfotos.

Dann haben wir viel Spaß beim Überqueren der Schneefelder, denn abwärts schaffen wir es auf dem Po viel kraftschonender und schneller.

Der Schneefall wird stärker und auch im Basecamp auf 5.000 Meter graupelt es bereits. Es ist 9 Uhr als wir das Camp erreichen und den Rest des Tages verbringen wir bei einem Wechsel von Regen und Graupel im Zelt. Darauf waren wir nun wirklich nicht eingestellt.

Ich selbst habe den unvollendeten Gipfelaufstieg sehr genossen. Es war mein erster Anstieg über 5.000 Meter, bei dem mich weder meine Kräfte verlassen noch mir die Übelkeit einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.

Jetzt bin ich endgültig überzeugt – mit entsprechender Akklimatisation (und die ist bei dieser Reise von und mit Weltweitwandern vorbildlich) kann auch Wandern in der Höhe Spaß machen.

Teile diesen Beitrag mit deinen Freunden: