Tag 4: In der Nacht hat es geregnet und es ist kalt und ungemütlich.
Immerhin können wir unsere Taschen ohne Regen packen. Der Weg führt uns heute hinab ins Tal, vorbei am Ort Sumdo, wo wir von der Mutter unseres Kochs auf einen Imbiss eingeladen werden.
Sumdo ist der einzig grüne Fleck in diesem Flusstal und es ist erstaunlich, wie die Menschen hier leben und alt werden können: So habe ich von unserem Guide erfahren, dass seine Großmutter mit 99 Jahren noch immer in ihrem Ort lebt und trotz Hör- und Sehschwäche ihren Alltag allein meistert. Obwohl uns dieses Dorfleben zunächst karg und hart erscheint, haben die Bewohner alles was sie brauchen, können durch Viehwirtschaft und Ackerbau nahezu autonom leben und sich der Reizüberflutung unserer westlichen Lebensweise komplett entziehen – mit allen Vor- und Nachteilen. Die Menschen dort haben das, was wir uns oft wünschen:
Fokussierung auf das Wesentliche, sie leben im Hier und Jetzt, mit arbeitsintensiver Routine inmitten der Natur, ohne von einem Termin zum Nächsten zu jagen.
Dennoch möchte ich nicht tauschen – die Ruhe, Einfachheit und Einsamkeit im Urlaub genießen zu können führt bei uns unweigerlich zum Entspannen und zu mehr Achtsamkeit. Einen Teil davon möchte ich mir in meinen Alltag mitnehmen und in meinem westlichen Leben bewahren. Dauerhaft auf eine warme Dusche, meine gemütliche Wohnung und den Komfort zu verzichten, ist für mich keine Option mehr – allerdings wird mir wieder mal bewusst, dass meine Welt eine Luxuswelt ist. Mit Selbstverständlichkeiten, die man in anderen Kulturen nicht mal kennt.
Der Weg führt uns weiter am Fluss entlang bergab, mehrmals queren wir den Fluss – teilweise sehr spektakulär. Der Weg ist wunderschön und sehr abwechslungsreich. Unsere Mittagspause am Fluss verregnet es komplett, die Temperatur fällt schlagartig um gefühlte 10 Grad Celsius. Wir brechen das Mittagessen überstürzt ab und steigen mit vollem Magen in Regenkleidung auf 4.270 Meter auf. Das Ergebnis: nass von innen und außen. Auf der Passhöhe des Pogal La werden wir mit Sonnenschein und von unserem Guide mit einer Wassermelone belohnt – der Aufstieg hat sich gelohnt und wir wandern entspannt zu unserem wunderschön gelegenen Lagerplatz in Lanak.
Nachts hat es wieder stark geregnet und alles ist nass.
Wir starten in den fünften Trekkingtag mit einem wolkenlosen blauen Himmel, der einen sonnigen Tag erwarten lässt. Vor uns liegt ein rund zweistündiger Aufstieg auf den Dungdunch La (4.710 m) und ich freue mich, dass ich auch diese Herausforderung problemlos meistere und sogar Power habe, um den kleinen Gipfel auf der Passhöhe noch zusätzlich zu erklimmen.
Jetzt warten rund 1.500 Meter Abstieg bis ins Dorf Chilling auf uns. Der Weg führt uns vorbei an violett, grün, schwarz und rot schimmernden Bergrücken.
Das Panorama ist wieder einmal grandios.
Mittlerweile sind Wolken aufgezogen und wir sind dankbar, dass die Sonne nicht die ganze Zeit vom Himmel brennt. Wir überqueren mehrmals den Fluss, der heute aufgrund der Regenfälle der vergangenen Tage braunes Dreckwasser führt. Regen im August ist hier in Ladakh eine Folge der Klimaveränderung: die Regenzeit hat sich um einen Monat nach vorne verschoben, weder in der Reisebeschreibung noch sonst wo, wurde von täglichen Regenfällen im August berichtet. Wir kommen jedoch an mehreren Stellen vorbei, wo die katastrophalen Ausmaße von Starkregen im August noch zu sehen sind: Schlammlawinen, die ganze Häuser verschüttet haben oder auch Hochwasser, das den Campingplatz mitgerissen hat – Todesopfer inklusive.
Auch heute verändert sich der Himmel, dunkle Wolken ziehen auf und verheißen nichts Gutes. Wieder einmal erfahren wir, wie schnell sich das Wetter in den Bergen ändern kann und wie unkalkulierbar es hier im Himalaya ist. Unser Weg führt uns durch eine herrliche Schlucht, ein spektakulärer Weg immer dem Flusslauf folgend.
Doch mitten in der Schlucht setzt der Regen ein und Donner grollen über unseren Köpfen. So ganz wohl ist uns nicht….
Wir forcieren das Tempo, bringen die Schlucht zügig hinter uns und ich bedaure sehr, in dieser einmaligen Landschaft nicht achtsamer unterwegs gewesen zu sein. Glücklicherweise erreichen wir unser Camp in Chilling auf 3.200 Metern bevor der Regen richtig niederprasselt…
Wir genießen die Aprikosen direkt von den Bäumen und erfahren, dass hier nicht das Fruchtfleisch sondern die Kerne verarbeitet werden: Öle, Cremes und andere natürliche Kosmetika – wir werden später noch zahlreiche Tiegel für unsere Lieben zuhause kaufen.